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Der Brief kam wie gelegen, um Lucky aus der unangenehmen Situation zu erlösen und von ihrem gezwungenen Grinsen abzulenken. Zuerst war sie nur froh und dankbar, dass dieser dämliche Brief in ihre Mitte geflogen war, doch als Capra ihn in die Runde hielt, wurde sie tatsächlich neugierig. In der Tat - er roch nach Rosen! Fehlte nur noch der rosa Glitzernebel drum herum.
"Bestimmt ein Liebesbrief.." dachte Lucky, und lächelte verträumt. Der musste natürlich unbedingt seinem Empfänger ausgeliefert werden ... nachdem Lucky ihn noch ein bisschen mit Stuff aus ihrem Geschenkeladen verziert hatte!
Als sie gerade so in Gedanken schwelgte und mit halbem Ohr Edgar zuhörte, der irgendwas von Vampiren und Fingerabdrücken schwafelte, kam Fy die Straße entlanggestürmt. Von ihrem euphorischen Quieken wurde Lucky aus ihrer Herzchenrosaschleifchenwelt gerissen. Mit euphorischem Winken erwiederte sie Rattes euphorischen Gruß.

Capra begrüßte Fy - was sonst garnicht ihre Art war - etwas geistesabwesend. Der Brief beschäftigte sie einfach zu sehr.
"Du kommst gerade rechtzeitig! Wir haben einen mysteriösen Brief gefunden! Vermutlich ein Erpresserbrief oder eine Morddrohung!"
Verzückt richtete die Ziege ihre Äuglein gen Himmel, wo bestimmt irgendein Gott des Verbrechens saß. Doch die Pause währe nur kurz. Immerhin musste sie der Sache auf den Grund gehen, so schnell wie möglich. Und dazu war es unerlässlich, dass sie den Brief endlich öffnete!
Sie zog aus einer ihrer Kitteltaschen einen Spatel, den sie auf einer Seite scharf geschliffen hatte und ritzte damit in null-komma-nichts oder noch weniger den Brief auf. Ein weiterer Schwall Rosenduft folgte, und schon hatte Capra den Brief aufgefaltet und las ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen und steilen Falten auf der Stirn vor.
"Ich habe einen Schatz entdeckt,
glaub mir, er ist gut versteckt.
Um ihn zu erreichen würd ich jeden Berg bezwingen
Und unter den Bäumlein wo die Vöglein singen
Vor Freude dreimal im Kreis mich drehn
Nur um diesen Schatz zu sehen.
Mit meinem übergroßen Degen
Würde ich fechten für diesen Segen.
Links, rechts, gradeaus, um den Hügel
meine Liebe verleiht mir Flügel.
Manche Dinge müssen sich erst heben
bevor erfüllt wird mein ganzes Streben.
Man findet dich in einem Garten,
Es hat den anschein dur würdest warten.
Dort weit entfernt von allen Wegen,
Möchte ich mich niederlegen.
Um möglichst schnell ihn zu erblicken
Und möglichst schnell dann auch zu "
Als sie geendet hatte, wurden die Falten auf der Stirn der Ziege tiefer und tiefer.
"Das letzte Wort ist verwischt! Welcher Idiot schreib denn auch Erpresserbriefe mit Tinte! Die ist doch überhauptnicht dokumentenecht!"
Tadelnd schnalzte ihre Zunge, und ihre Ohren erzeugten kleinen unbeträchtlichen Wind, so schnell wie sie ihren Kopf schüttelte.
"Was könnte das nur heißen? Ersticken? In den Tod schicken? Kicken?"
Fragend blickte sie in die inzwischen recht große Runde.

Ich habe einen Schatz entdeckt,
glaub mir, er ist gut versteckt.
Lucky seufzte verträumt.
Um ihn zu erreichen würd ich jeden Berg bezwingen
Und unter den Bäumlein wo die Vöglein singen
Vor Freude dreimal im Kreis mich drehn
Nur um diesen Schatz zu sehen.
"Aw, wie romantisch!" rief sie entzückt aus.
Mit meinem übergroßen Degen
Würde ich fechten für diesen Segen.
"Hm, seltsame Zeile.." dachte Lucky. "Aber süß!"
Links, rechts, gradeaus, um den Hügel
meine Liebe verleiht mir Flügel.
Manche Dinge müssen sich erst heben
bevor erfüllt wird mein ganzes Streben.
So langsam wurde Lucky misstrauisch. Es schwahnte ihr etwas..
Man findet dich in einem Garten,
Es hat den anschein du würdest warten.
Dort weit entfernt von allen Wegen,
Möchte ich mich niederlegen.
Um möglichst schnell ihn zu erblicken
"DU GROßER GOTT!" rief Lucky
Und möglichst schnell dann auch zu ...
Lucky wollte Capra den Mund zu halten, aber zum Glück war das letzte Wort "verwischt".
Erleichtert atmete sie aus. Panisch blickte sie in die Runde, um zu sehen, ob irgendwer den obszönen Sinn dieses widerlichen Briefes verstanden hatte. Doch alle grinsten nur debil oder sahen grübelnd zu Boden. Lucky patschte sich mental an die Stirn - zum zweiten mal an diesem ominösen Morgen - und war dann doch ganz froh, dass niemand ihrer Spiralstadtfreunde den eindeutig zweideutigen Sinn dieses Briefes zu verstehen schien.
"Was könnte das nur heißen? Ersticken? In den Tod schicken? Kicken?" fragte da auch schon Capra.
"Tja, ähm, vielleicht, ja! Vielleicht ist es eine Morddrohung!" stimmte Lucky eifrig (und ETWAS nervös) ein.
Sie fragte sich nun allerdings ernsthaft, wer der Verfasser dieses Briefes war, und würde ihm gehörig etwas erzählen, wenn sie ihn in die Finger bekäme - unter vier Augen natürlich. So etwas einer Dame zu senden - ganz und gar unschicklich!

Natürlichwar Capra zunächst noch voll und ganz mit der Morddrohungs-Theorie einverstanden. Doch nur kurze Zeit später äußerte Fy eine Theorie, die der detektivischen Ziege - und auch allen anderen - sogar noch mehr zusagte - Eine Wegbeschreibung zu einem Schatz! Immerhin stand das ja schon in der ersten Zeile. Eine sehr wahrscheinliche Annahme!
Capra musste natürlich noch ihren Biographen August in dieses Abenteuer hineinziehen, das sich so spontan aufgetan hatte. Und sein unnützer Bruder würde vielleicht auch mitkommen. und Ihre volle Schatzsucherausrüstung brauchte sie auchnoch. Und auch die anderen hatte noch das ein oder andere zu erledigen.
Also verabredete sich das frisch gebackene Schatzsuchergrüppchen, sich in einer halben Stunde vor der Kirche zu treffen.

Lucky war froh, dass alle sich so auf die Schatzsuche fixierten und niemand weiter über den Sinn des Briefes nachdachte, oder darüber, warum er in einem Rosenkuvert gesteckt hatte. Jetzt musste sie sich nur noch Mühe geben, eifrig mitzuspielen. Da sie es außerdem nicht ertragen konnte, die enttäuschten Gesichter ihrer detektivischen Freunde zu sehen, wenn sie dann doch keinen Schatz fanden, tätigte sie ein paar Anrufe. So viel Mühe nur wegen dem dämlichen Idioten, der diesen Brief verfasst hatte. Lucky würde schon noch herausfinden, auf wem dieser Mist gewachsen war, und dann.. Sie sah so böse drein, wie eine Lucky nur böse dreinsehen konnte.
Doch sie beschloss, das beste aus der Schatzsuche zu machen und packte sie ein paar Sandwiches und eine rosa Spitzendecke in einen Picknickkorb. Dann machte sie sich auf den Weg zur Kirche.


Der junge Kallen hatte er seine Koffer unter zahlreichen Schweißausbrüchen in sein Haus geschleppt - natürlich erst, als alle anderen weg waren. Er wollte nicht, dass ihn jemand so sah. Zwar dachte er, es hätte ihn niemand gesehen, doch er meinte, ein seltsames Knipsen gehört zu haben. Vermutlich war er schon paranoid.
Edgar stand genau eine halbe Stunde später vor der Kirche. Missachtend betrachtete er das Gebäude. Vampire mochten keine christlichen oder sonst irgendwie an einen Glauben erinnernden Symbole. Insgeheim fand er die Kirche wunderschön, aber sowas durfte man nicht zugeben, wenn man ein Untoter war.
Er dachte über das Gedicht nach, welches Fy schließlich als Wegbeschreibung zu einem Schatz gedeutet hatte. Edgar erschien es, nachdem er darüber nachgedacht hatte, plausibel. Die anderen waren auch schon da. Er nickte ihnen zu und wartete, bis jemand zu sprechen begann. Dabei fiel sein Blick auf auf einen Picknickkorb in Lucky Hand. Ein verführerischer Geruch stieg daraus hervor...

August war gerade dabei zu tun, was er um diese Zeit normalerweise immer tat, wenn er bis zum Morgengrauen durch sein Teleskop gestarrt hatte - schlafen.
Und das nächste an das er sich erinnern konnte war, dass Capra in seinem Wohnzimmer stand und seinen Namen rief. Zunächst versuchte er, seinen Kopf unter dem Kissen zu verstecken, doch als durch diese minderwertige Lärmschutzvorrichtung die Frage "August, wurdest du ermordet? Soll ich den Mörder finden?" drang, hatte er doch zu viel Angst um sein Mobiliar. Seufzend zog er sich seinen Sternenmuster-Morgenmantel über und trottete ins Wohnzimmer.
Innerhalb weniger Minuten hatte Capra ihm einen starken Tee - vermutlich unvergiftet - vorgesetzt und ihm irgendwas von einer Schatzsuche erklärt. Bei dieser würde seine Funktion als ihr persönlicher Biograph benötigt. Er hatte immernoch keine Ahnung, wie er eigentlich zu dieser ehrenvollen - und ziemlich anstrengenden - Aufgabe gekommen war. Auch Henry, der irgendwann zwischen den Erklärungen von seinem morgendlichen Spaziergang zurückkam und bedauerte, dass er sich doch nicht im Fluss der Spiralstadt (August hätte es eher als Bächlein bezeichnet) ertränkt hatte (August bezweifelte, dass das überhaupt ging) wobei ihm Capra zustimmte, wurde in die Sache mithineingezogen.
Und so standen sie wenige Minuten später vor der Dorfkirche.

Oh, wie aufregend das doch war! Ein echter Schatz in der Spiralstadt! Und wie geschickt die geheime Schatzkarte als Liebesbrief getarnt war, beeindruckend.
Fy rannte schnell nach Hause und packte ihre Schatzsucherausrüstung zusammen. Sie fand eine ganze Menge brauchbare Sachen, die sie irgendwann einmal geschenkt oder als Zeche bekommen hatte.
Ein langes Seil, das sehr stabil aussah, einen lustigen Hut, den ihr ein gewisser Indiana dagelassen hatte, einen hübsch gemusterten Stein (Steine konnte man immer brauchen), einen großen Malpinsel (auch oft sehr nützlich), ein altes Fernglas, bei dem ein Vergrößerungsglas gesprungen war, einen hölzernen Kochlöffel (für...ähm...naja, nützlich war er allemal!) und eine schön schrille Trillerpfeife. Dies alles packte Fy in einen alten, abgewetzten Rucksack (Mit einem Aufnäher "10 Jahre Queen") und flitzte aufgeregt hinüber zur Kirche.
Dort angekommen zog sie ihr übliches Begrüßungsprogramm durch (Quietschen, Winken, Knuddeln) und schnappte sich dann kurzerhand den Zettel mit dem geheimnisvollen Gedicht.
"Also, wo sollen wir mit der Suche beginnen? Hier steht etwas von einem Berg... Haben wir einen Berg in der Nähe?"
Etwas ratlos blickte sie in die Runde.

"Wir haben hier einige Hügel." antwortete Lucky. "Doch der höchste, der einzige, den man vielleicht schon als Berg betrachten könnte, liegt einen gut 30 Minütigen Fußmarsch von hier im Wald!"
Aprupt verstummte sie und schaute geheimnisvoll von einem zum anderen. "Im großen, dunklen Wald hinter der Stadt.. Nur wenige Bewohner der Spiralstadt sind jemals dort gewesen - und noch weniger sind auch wieder zurückgekehrt!" Passend zur Dramatik schlug die Kirchturmuhr 12 und einige Raben flogen kreischend auf. Eine Wolke schob sich vor die Sonne, und selbst Lucky, die ja eigentlich die Erfinderin der Gruselgeschichte war, jagte ein leichter Schauer über den Rücken.

Capra klatschte begeistert in die Hände. Wenn weniger Leute aus dem Wald herausgekommen waren, als hineingegangen waren, war die logische Schlussfolgerung, dass die Differenz immernoch dort sein musste. Vielleicht sogar tot!
Sie zog ihren Kompass aus der Tasche - obwohl sie genug wusste, in welche Richtung der dunkle, große Wald lag - und hüpfte fröhlich in Richtung des Waldes, die Rabenschreie und Wolken ignorierend.

Edgar erinnerte sich daran, einen großen Hügel gesehen zu haben, als er bei der Herfahr aus den getönten Scheiben des Leichenwagens gelinst hatte. Ja, er konnte sich gut vorstellen, dass der bewaldete Berg schätze bergen konnte. Vielleicht sogar fremde Wesen, die sich nicht in die Stadt trauten. Edgar hielt die Luft an. Vielleicht sogar echte Vampire! Egar merkte, dass er nicht mehr Atmete und langsam an Luftmangel litt. Da besann er sich atmete hektisch weiter.
Der Trott zum Berg gestaltete sich weniger ereignisvoll. Ratte und Capra hüpften voran, Lucky spazierte hinterher und der junge Kallen stolzierte (so stilvoll er es stolpernd durch das Gestrüpp nur schaffen konnte) gemessenen Schrittes ihnen hintendrein.
Irgendwann auf halbem Weg den Berg hinauf standen sie (je nachdem, mehr oder weniger) schnaufend an einer Kreuzung. Edgar überlegte.
"Links, rechts, gradeaus, um den Hügel.. soll das heißen, wir müssen uns durch das ganze Gebüsch auf die Rückseite durchschlagen?" Fragend sah er in die Runde. "Dort weit entfernt von allen Wegen klingt nämlich auch danach." Er seufzte und sah er nach unten. Seine Hose war total zerfetzt und auf seinen Lackschuhen waren bereits Kratzer und Dreck zu sehen. Das schickte sich nun aber gar nicht für einen feinen Vampir.

Henry hatte die Vorgeschichte der geheimnisvollen Schatzsuche noch garnicht richtig mitbekommen. Erst auf dem Weg in Richtung des Waldes hatte August ihn eingeweiht, und Capra hatte ihm triumphierend ein rosanes Blatt Papier mit einem merkwürdigen Gedicht darauf unter die Nase gehalten. Seiner Meinung nach hörte sich das ganze wie ein verdammt schlechter, peinlicher Liebesbrief an. Meine Güte, wer schrieb heutzutage noch so einen Stuss!

"Soll das heißen, wir müssen uns durch das ganze Gebüsch auf die Rückseite durchschlagen?"
Capra schnalzte tadelnd mit der Zunge und blickte den Neuankömmling streng an. Was dachte der eigentlich, was das hier war? Ein Ponyhof?
"Natürlich müssen wir uns durch das ganze Gebüsch durchschlagen, wenn das in der Wegbeschreibung steht. Solche Briefe sollte man immer ernst nehmen! Ich denke sogar, hier ist alles mit Fallen zugepflastert, für die Leute, die sich ohne die Schatzkarte auf die Suche machen. Vermutlich sind deshalb schon einige nicht zurückgekommen. Sollte mich nciht wundern, wenn wir hier auf einige Leichen treffen!"
Den letzten Satz quietsche sie triumphierend heraus, und schon teilte sie - sehr vorsichtig mit einem langen Spazierstock - das Geäst der umstehenden Büsche. Leider fand sie erstmal keine abgehackten Hände, Füße oder sonstige Körperteile. Doch so schnell lies sie sich nicht entmutigen.
"Auf gehts, mir nach!"
Und die Ziege schlug einen komplexen Zickzackkurs durch das Gesträuch ein. Dass dieser mit der Wegbeschreibung aus dem Brief nichtmehr wirklich etwas zu tun hatte, hatte sie inzwischen vergessen.

Capra sprach, Capra maschierte los. Die anderen einfach hintendrein - entweder gutmütig, wie in Luckys Fall oder einfach nur total überdreht fröhlich wieder diese aufgabe wie Fy. Edgar hatte das Gefühl, dass der neue Kurs nicht so ganz nach der Aufgabenstellung war, aber er wollte die Euphorie nicht trüben und sich nicht noch unbeliebter machen, als er es eh schon durch sein furchtbares Los, ein Vampir zu sein war.
Edgar sollte nicht so viel monologieren und dabei nicht weiterlaufen. Schnell setzte er, leider wenig würdevoll, den anderen nach. Da sie nun den Weg, der eh schon etwas verwildert gewesen war, verlassen hatten, wurde seine Kleidung weiter in Mitleidenschaft gezogen.Wenigstens konnten die Äste und Sträucher seinem Bodyglittermakeup nichts anhaben.
Völlig wirr und vermutlich länger als nötig, stolperten sie durch die Gegend. Während sie so liefen - oder mehr: stolperten - fiel Edgar auf, dass es sich eigentlich gar nicht für ihn zierte, wie ein Hund hinterherzulaufen. So schnell er konnte, ohne komplett albern auszusehen, holte er bis zu Capra auf, dann noch ein winziges Stück weiter.
Platsch.
Wasser. Fließendes Wasser. Kaltes fließendes Wasser. Schockiert sprang Edgar auf und starrte noch viel schockierter auf sein verlaufendes Bodyglittermake up. Sein Herz, welches ohnehin nicht schlagen sollte, weil er ein Vampir war, setzte einen Herzschlag aus. Kein. Glitzer. Mehr. Kein. Glitzer. Mehr. Edgar hyperventilierte überfordert und brachte nur ein Wort hervor: "F..F...Fluss!"

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